Interview der Bürgerinitiative

1. In der Diskussion über die Flugfeld-Klinik werden auch finanzielle Gründe für den  Neubau genannt. Wird aus Ihrer Sicht der Betriebswirtschaft zu großer Raum gegeben?

Eine Klinik sollte wirtschaftlich arbeiten, aber nicht zu Lasten der Patienten und des Personals. Diese Art Betriebswirtschaft darf im Gesundheitswesen nicht an erster Stelle stehen. Ein kommunales Krankenhaus ist keine Fabrik für Marktanteile. Es müssen die sozialen und medizinischen Bedürfnisse der Menschen erfüllt werden.

Die Stellhebel für eine effiziente Wirtschaftsführung sind Optimierung der Strukturen und Prozesse sowie Verbesserung der internen Logistik.Etwas populistisch ausgedrückt heißt das:

Wir brauchen keine aufgeblähten Verwaltungsfirmen wie den Klinikverbund Südwest.

Bisher wurden Baukosten von 450 Mio.€ angegeben.

Nicht berücksichtigt sind die Kosten für Infrastrukturmaßnahmen, für Parkhäuser/Tiefgarage, Personalwohnungen.

Was muss in die vorhandenen Kliniken bis zur Fertigstellung der neuen Großklinik für einen ordnungsgemäßen Betrieb noch investiert werden?

Was wird aus den vorhandenen Kliniken? Bisher gibt es kein Nutzungskonzept!

Woher kommt das Geld für den Neubau?

Mit dem Neubau der Flugfeldklinik würden die aus unseren Steuergeldern

gemachten Investitionen in die vorhandenen Häuser vernichtet, geschätzte 250 Mio €.

Wer bezahlt diesen Wertverlust?

Dies alles muss in eine gesamt betriebswirtschaftliche Betrachtung einbezogen werden.

Die vom Kreis erhofften Landeszuschüsse sind keineswegs abgesichert. Ein solider, belastbarer Finanzierungsplan liegt nicht vor.

 

2. Ist es aus medizinischer Sicht nicht sinnvoll, alle Disziplinen unter einem Dach zu haben?

Um alle Disziplinen unter einem Dach zu haben, sind die Fachgebiete zu groß und ein einziger Standort reicht sowieso nicht aus, und das Flugfeld schon gar nicht. Das Flugfeldgelände hat gerade mal 6 ha Grundfläche. Die beiden vorhandenen Krankenhäuser haben zusammen 17 ha. Da kann was nicht stimmen. Wir wollen nicht, dass von anderen Krankenhäusern nur aus Prestigegründen bereits vorhandene Disziplinen und damit Patienten abgezogen werden (z.B. Tübingen/Stuttgart) .

Die Tendenz geht zu Spezialkliniken, die wir im näheren Umkreis ausreichend haben.

 

3. Sie kritisieren vor allem den Standort des neuen Klinikums auf dem Flugfeld. Der Landrat sagt, aus einem Dutzend möglicher Standorte ist das Flugfeld der mit Abstand beste. Kennen Sie einen besseren Platz?

Ja natürlich: Die beiden bestehenden Standorte! Es waren 11 Standorte, die im Gutachten von 2013 bewertet wurden, davon allein drei auf dem Flugfeld, eingepresst zwischen Autobahn, Schnellstraße,Industrie- und Gewerbegebiet.

Außerdem hat das Grundstück einen funktional ungeeigneten Zuschnitt, was zu langen

Wegezeiten des Personals führt.

Der Landrat hatte dem Gutachter “Teamplan” die Bewertungskriterien mit auf den Weg gegeben: Da kommen die Faktoren „Wert der natürlichen Umgebung“ sowie „Beeinträchtigung durch Abgase und Feinstaub“ gar nicht vor. So wird, wie beabsichtigt, das Flugfeld zum besten Standort erklärt – eine Sache bei der sich bis jetzt schon 1300 Menschen mit ihrer Unterschrift bei der Bürgerinitiative „Flugfeldklinik – Nein Danke!“ nur an den Kopf langen.

Dass wir im Gegensatz zum Landrat dem Wald als Umgebung unserer Krankenhäuser einen so hohen Stellenwert geben ist weder Romantik noch esoterischer Quatsch. Es ist erwiesen, dass die Terpene in der Waldluft zu jeder Jahreszeit das Immunsystem stärken und die Wundheilung beschleunigen.

 

4. Sie beklagen den Wegfall der Schwesternwohnheime. Ist das noch ein Argument, nachdem viele Appartments in den Wohnheimen gar nicht mehr an Pflegekräfte vermietet sind?

Die vorhandenen Schwesternwohnheime werden deshalb nicht angenommen, weil  sie in desolatem Zustand sind und weil man sie verkommen lässt. Keiner will darin wohnen, trotz akuter Wohnungsnot .

Das ist der 1. Schritt, einen Personalmangel zu beheben ?

Die Ausbildung des Pflegepersonals und der Ärzte sind grundlegende Bestandteile eines gezielten medizinischen Versorgungskonzeptes. In dieser Phase bedingt dies ein bezahlbares Wohnangebot in einer angemessener Entfernung zum Arbeitsplatz.

In der geplanten Flugfeldklinik wurde dies nicht berücksichtigt.

Man kann dem Personal, dass ja in Schichten arbeitet, nicht zumuten, nachts oder  um 5 Uhr morgens, 25 Minuten zum Bahnhof zu laufen.

Den immer größer werdenden Personalmangel versucht man dann mit Anwerbung von Menschen aus anderen Ländern abzudecken.

 

5. Sie klagen die „Basta“-Politik des Landrats. Was halten Sie Roland Bernhard konkret vor?

Der Kreistag (als Institution) ist für die Organisation der medizinischen Versorgung der Menschen im Landkreis zuständig. Der Landrat setzt die Beschlüsse des Kreistages um. Der Kreistag hat seine Verantwortung an eine Firma (Klinikverbund Südwest) übertragen. Die Stadt Sindelfingen ist aus dem Klinikverbund ausgestiegen.

Die Klinik- Geschäftsführer können nach einstimmigem Beschluss des Kreistages jeweils eigenständig handeln Dies ist nicht rechtens !.

Wir missbilligen die verbalen Entgleisungen des Landrates / Aufsichtsratsvorsitzenden : “ Die Menschen vor Ort sollen ihre Klinik aufsaugen, eine Bürgerbefragung ist nicht machbar und politisch auch nicht gewollt, die Standortfrage wird nicht mehr diskutiert; jetzt wird erst mal die Klinik gebaut und dann schauen wir wo wir für das Personal bezahlbaren Wohnraum finden”.

Ist das verantwortungsvolles Projektmanagement?

Eine frühzeitige Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in den Entscheidungsprozess fand nicht statt.

Sie erfolgte immer im Nachhinein durch Information über schon getroffenen Entscheidungen.

 

6. Obwohl die Grundsatzentscheidungen getroffen sind, bleibt die Bürgerinitiative gegen die Flugfeldklinik weiter aktiv. Wie wollen Sie weitermachen?

Die wenigen Befürworter des Großklinikums auf dem Flugfeld hätten natürlich gerne, dass wir uns zurückziehen.

Wir halten es für angebracht und notwendig, im Sinne gut bürgerlichen Verhaltens, die BI weiterzuführen.

Ziel ist und bleibt:

Wir wollen unsere Krankenhäuser erhalten und mit einem modernen Konzept erweitern:

Einbindung in die Natur und Ruhe für den kranken Menschen.

Wir setzen uns ein für das Gesundheitszentrum Böblingen-Sindelfingen.

Wir werden die Kostenentwicklung für den Neubau Flugfeld genau im Auge behalten und auf Vollständigkeit und Transparenz analysieren.

Wir werden auch die weiteren erforderlichen Gutachten analysieren.

Klar ist, dass wir weiter mit Infoständen Unterschriften gegen das Projekt sammeln und damit zur öffentlichen Diskussion beitragen. Wir hören auf die Ideen der Menschen zu einer guten Krankenhausversorgung.

Aber: Die Schubkraft muss von der Bevölkerung ausgehen.

Das konkrete Vorgehen werden wir bei unserer nächsten Mitgliederversammlung im Januar 2017 beschließen.

 

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